Gutachten zum Zusammenhang zwischen Werbung und Kinderernährung

Weitreichende Werbeverbote ohne wissenschaftliche Evidenz – neues wissenschaftliches Gutachten

Der Lebensmittelverband Deutschland hat ein wissenschaftliches Gutachten zur Aussagekraft ausgewählter Studien zum Zusammenhang zwischen Werbeexposition und der Ernährungsweise von Kindern in Auftrag gegeben.

Warum das Gutachten?

Seit Monaten läuft eine hitzige Debatte um das vom Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) geplante Werbeverbot für Lebensmittel. Bundesminister Cem Özdemir betont, dass es sich um ein Verbot für Werbung handelt, die sich explizit an Kinder richtet. Allerdings ist das so nicht richtig, denn die Pläne sehen bereits Verbote vor, wenn die Werbung von Kindern wahrgenommen werden kann. So wäre Werbung im Fernsehen zu bestimmten Zeiten betroffen, wenn die Produkte bestimmte Nährwert-Kriterien nicht erfüllen, nur weil Kinder potenziell in dieser Zeit Werbung sehen können. Bei den Nährwert-Kriterien orientiert sich das BMEL an dem WHO-Nährwertprofilmodell für Europa. Damit dürfte für ca. 70 Prozent aller Lebensmittel nicht mehr geworben werden, eingeschlossen viele Käse- und Wurstsorten sowie Fleischersatzprodukte oder Marmelade.

Auswahl der Studien nach Relevanz für Debatte

Begründet wird das Werbeverbot mit einer Reihe von wissenschaftlichen Studien, die angeblich zeigen, dass Werbeverbote zielführend seien. Genau diese Studien haben nun Katharina Schüller (Geschäftsführung STAT-UP GmbH) und Prof. Dr. Walter Krämer (Prof. em. Technische Universität Dortmund) im Auftrag des Lebensmittelverbands angeschaut und analysiert. Die Studien mussten dabei zwei Kriterien hinsichtlich ihrer Relevanz für die Debatte um ein Werbeverbot erfüllen: Sie wurden entweder von relevanten Akteuren oder der Politik zitiert oder sie dienen als Referenz in diesen zitierten Arbeiten und bilden so die Basis für die Ergebnisse der zitierten Studien.

Studien der Befürworter weisen hohe methodische Mängel auf

Das Gutachten zeigt umfassend auf, dass keine wissenschaftlich-statistische Basis in der Literatur existiert, die einen kausalen Einfluss von Werbung für Lebensmittel, die hinsichtlich ihres Zucker-, Salz- oder Fettanteils nicht den Anforderungen des WHO-Nährwertprofilmodells für Europa entsprechen, auf die Gesundheit von Kindern darlegt. Die Autoren kommentieren:

Prof. Walter Krämer: Man muss sich schon sehr wundern. Sämtliche von uns untersuchten Studien beruhen auf zweifelhaften Annahmen, sind oft methodisch schwach und von fragwürdiger Qualität – oder haben einen ganz anderen Forschungsgegenstand. Statt schlüssiger Beweise stützen sich viele Arbeiten auf Schätzungen und Scheineffekte, die wissenschaftlicher Nonsens und kaum geeignet sind, ein Werbeverbot für Lebensmittel zu rechtfertigen.“

Katharina Schüller: „Zum einen haben wir es in der Debatte mit Studien zu tun, die aufgrund methodischer Mängel mit Vorsicht zu genießen und nicht auf den Alltag übertragbar sind. Andere Studien werden fahrlässig oder absichtlich von Befürwortern eines Werbeverbots missinterpretiert und dienen offensichtlich nur als Alibi in der öffentlichen Diskussion. Ein solcher Umgang mit Studien schadet der Wissenschaft und der Debattenkultur.“

Das Gutachten sowie eine Kurzzusammenfassung der Autoren ist auf der Website von Stat-Up verfügbar.

QUELLEN

Das Gutachten kann hier heruntergeladen werden

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