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Am geplanten Werbeverbot entzünden sich weltanschauliche Konflikte: Zwei zentrale Narrative

Menschen stehen vor einem Emoji mit verschlossenem Mund als Symbol für Sprechverbot

Gastbeitrag von concept m

Autoren: Thomas Ebenfeld, Dirk Ziems

Das Leben heute ist komplex: Verführungen locken überall! Reize, Werbung, Beeinflussung, Propaganda – alles prasselt ständig und unaufhörlich über unzählige Medienkanäle auf uns ein ­– ein mediales „Non-Stop“. Dazu gehören nicht nur Werbung und Influencer-Meinungen, sondern auch Weltdeutungen, Normen, Regeln und Leitbilder. Viele davon beanspruchen Deutungshoheit.

Im häuslichen Alltag sind Eltern damit oft ge- und überfordert und ringen im Umgang mit ihren Kindern nach Maß und Mitte: „Wie viel Fernsehen ist erlaubt, wie viel Streaming, wie viele Computerspiele, wie viel digitale Zerstreuung?“

  • „Wie rege ich meine Kinder zu kreativem und selbstständigem Handeln an?“
  • „Wie schaffe ich es, dass meine Kinder mal etwas länger durchhalten in einer Zeit voller Verführung?“
  • Und natürlich auch: „Erziehe ich mein Kind richtig, wenn leckere Süßigkeiten, salzige oder fettige Verlockungen verfügbar sind?“

In unseren Studien sehen wir oft, dass Eltern implizit immer wieder ein schlechtes Gewissen plagt: „Bringe ich für meine Kinder und die Erziehung genug Zeit auf?“ und „Widme ich mich ihren Bedürfnissen genug oder gehen sie im Alltagsstress unter?“

  • Besonders Ernährung und Gesundheit sind Bereiche, wo Eltern fürchten, etwas falsch zu machen: „Gibt es einen Zusammenhang zwischen Ernährung und beispielsweise ADHS?“
  • „Welche Schäden kann Zucker hervorrufen?“
  • „Bahnt man schon in der Kindheit mit der Ernährung spätere Koronar- und Herzerkrankungen an? “

Solche Fragen können Eltern bewegen, vor allem in einer Zeit, die seit Jahren Ernährung zur Ersatzreligion erkoren hat.

Es ist durchaus ein legitimes Anliegen, Kinder im Umgang mit süßen Verführungen zu Maß und Mitte zu erziehen. Doch welcher Weg zu einem verantwortungsvollen Umgang ist am Ende wirklich erfolgsversprechend?

Aktuell entzünden sich zwei weltanschauliche und ideologische Konflikte an den Fragen eines strengen Werbeverbotes für ungesunde Lebensmittel.

 

Das „Overload-Restriktions-Narrativ“

Diesem Narrativ zufolge wird unser Alltag durch Reizüberflutung, Dauerverführung und Überforderung geprägt. Als berufstätige Mutter oder Vater bekommen wir nur in Bruchteilen mit, was da alles auf die Kinder einprasselt. Kinder verfügen nicht über die nötige Widerstandskraft, sich gegen die Beeinflussungsversuche der Werbung vernünftig zur Wehr setzen.

Die Überforderung durch Komplexität – so diese Sichtweise – lässt sich nur mit Kontrolle und Verboten behandeln, die einen Schutzraum für Kinder schaffen sollen. Dieser Lösungsansatz ist verlockend, denn er entlastet die Erziehungsberechtigten und ermöglicht die Delegation der Verantwortung. Verbote schaffen implizit ein Gefühl von Sicherheit und ersparen auch die konkrete Auseinandersetzung mit dem Problem.

Aber wo fangen sie an und wo hören sie auf? Wo bieten Verbote eine angemessene Erleichterung und wo beginnt eine unangemessene Restriktion der persönlichen Entscheidungsfreiheit?

 

Das „Entwicklungs-Förderungs-Narrativ“

Die Prinzipien der Aufklärung und Mündigkeit stehen hier im Vordergrund. Unsere Kinder sollen in ihrer Entwicklung dazu befähigt werden, sich in der heutigen Komplexität mit all ihren Verlockungen und Reizen zurecht zu finden. Denn Reize und Verlockungen verschwinden nicht dadurch, dass die Werbung verschwindet. Es geht also weniger um ein Bewahren vor, sondern um die Entwicklung eines Umgangs mit den Verlockungen.

Das Kind kann und soll – unterstützt durch Erwachsene – selber lernen, was gut und richtig ist und wie es mit Reizen und Verlockungen umgehen kann. Persönliche und sozial vermittelte Kompetenzen bilden hier die Basis der Entscheidungsfindung.

Ziel der Erziehung soll die „Befähigung zum Finden eines jeweils passenden und vernünftigen Maßes und somit ein vernünftiger Umgang mit den Verführungen und Verlockungen dieser Welt sein“. Dies gelingt, so diese Sichtweise, nur durch (unterstützte) aktive Auseinandersetzung und nicht durch Vermeidung – die letztlich sogar eine Ausbildung von „medialen Abwehrkräften“ erschwert.

Dieser Ansatz gilt den Befürwortern als der nachhaltigere Weg, weil er die Kinder dazu befähigt, Kompetenzen im Umgang mit Werbung oder Beeinflussungstendenzen zu entwickeln.

Eine „Laissez faire“-Einstellung, bei der die Eltern eine eher passive Rolle einnehmen und sich mit jeglichem Eingreifen zurückhalten, ist heute – zumindest bei den Mittelstandseltern – kaum noch üblich oder anzutreffen.

Häufig geht die Diskussion weiter: Viele Studien belegen beispielsweise ein problematisches Maß an täglicher Nutzung von Social Media bei Jugendlichen. Wo enden hier die Kontrollwünsche bzw. was kommt als nächstes? Ein Verbot von Social Media-Apps, Gaming oder dem Metaverse?

 

Mit Resilienz den Alltag meistern

Wenn wir in unseren concept m-Studien die Eltern danach fragen, was sie sich künftig für ihre Kinder wünschen, dann ist es das, was man mit Resilienz umschreiben würde: Resilienz als positive Lebenseinstellung mit optimistischer Grundeinstellung. Wer widerstandsfähig ist, kann Herausforderungen bewältigen, hat ein Gefühl von Selbstwirksamkeit und das Gefühl, das eigene Leben selbst gestalten zu können. Dies ist die Basis für „Mental Health“ und schützt in Krisenzeiten oder bei Belastungen vor psychischen Problemen. Wer resilient ist, will und braucht nicht dauerhaft kontrolliert werden, sondern kann eigenständig die Herausforderungen des Alltags meistern.

Ob Verbote ebenso dahinführen, ist eine ideologische Auseinandersetzung, in der sich jeder sein eigenes Bild machen kann. Aus psychologischer Sicht ist jedoch die aufgeklärte Hinführung zu Mündigkeit (und Ausbildung von Abwehrkräften) ein vielversprechender Weg.

 

Info:

concept m betreibt tiefenpsychologische Marktforschung

https://www.linkedin.com/in/thomasebenfeld/

 

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